Page 22 - Saarländisches Ärzteblatt, Mai-Ausgabe 2024
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FOR TBILDUNG Fortbildungsreihe: Neue Entwicklungen in der Arzneimitteltherapie mit Relevanz
ÄR Z TLICHE FORTBILDUNG
für die medizinische Praxis
Warum Eisen nur jeden 2. Tag eingenommen
werden sollte
Mythen – heute „Fake News“ genannt – sind manchmal nur Kombination mit erniedrigtem Ferritinwert und einer Trans-
schwer zu korrigieren: Generationen von Kindern wurde ferrin Sättigung < 20 % gesichert ist.
Spinat aufgezwungen, wegen des vermeintlich hohen Eisen-
gehaltes. Die Annahme, dass Spinat ein besserer Eisen ie- Der neue Standard:
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ferant ist als anderes Gemüse sei, ist falsch und geht auf Verordnung von Eisen nur für jeden zweiten Tag
einen Rechenfehler in einer 1871 publizierten wissenschaftli-
chen Arbeit zurück. Ein Fehler, der 1937 entdeckt und korri- Es erscheint widersinnig, bei gesichertem Eisenmangel die
giert wurde, sich aber „eisern“ lange in Ernährungs emp- Substitution von Eisen nur zur Einnahme an jedem 2. Tag zu
fehlungen für Kinder gehalten hat. Richtig ist, dass Eisen verordnen, statt täglich, dennoch ist das sinnvoll: Die Menge
wichtig ist, nicht nur für die Hämoglobinbildung, und damit aufgenommenen Eisens und die Geschwindigkeit der Korrek-
den Sauerstofftransport, sondern auch für viele andere zel- tur der Anämie unterscheiden sich nicht, aber die Verträg-
luläre Prozesse zum Beispiel des Immunsystems (2). Blut- lichkeit ist bei Einnahme jeden zweiten Tag besser (4,5). Das
verlust ist die wichtigste Ursache von Eisenmangel, aber auch ist physiologisch erklärbar: Bei täglicher Eisengabe steigt der
vegetarische Ernährung prädisponiert zum Eisen mangel. Hepcidin-Spiegel an und vermindert den Anteil des resor-
bierten Eisens. Hepcidinspiegel fallen aber innerhalb von 48
Der tägliche Eisenbedarf beträgt 1 – 2 mg und ist bei Frauen Stunden wieder ab, so dass Eisen, nur jeden 2. Tag eingenom-
im gebärfähigen Alter durch Menstruation, in der Schwan- men, zu einem größeren Teil resorbiert wird. Da Hepcidin
gerschaft und bei Früh- / Neugeborenen und Kindern erhöht nach oraler Eisengabe rasch ansteigt, würde die Gabe eine
(1). Eine normale Diät enthält etwa 20 mg Eisen täglich, davon zweiten Eisendosis am Nachmittag oder Abend übrigens nur
werden 1 – 2 mg aufgenommen. In Fleisch enthaltenes Eisen gering resorbiert und wird daher nicht empfohlen.
wird zu etwa 30% resorbiert, in Gemüse und Getreide ent-
haltenes Eisen nur zu etwa 5 %. Wichtige Einnahme-Hinweise für Patienten
Während der Mensch den Eisenverlust nicht regeln kann – er Generell sollte Eisen auf nüchternen Magen und mit etwa
geschieht durch Desquamation von Enterozyten und durch einer Stunde Abstand zu nachfolgenden Mahlzeiten einge-
Blutverlust – unterliegt die Eisenaufnahme im Dünndarm nommen werden. Auch Getränke wie Kaffee oder Tee redu-
der Regulation durch das in der Leber gebildete Hormon zieren die Eisenresorption erheblich, während Vitamin C hal-
Hepcidin: Wird mit der Nahrung mehr Eisen zugeführt und tige Getränke resorptionsfördernd wirken. Der Unterschied
resorbiert, bildet die Leber vermehrt Hepcidin, das die ist erheblich: Nüchtern mit Orangensaft eingenommen wird
Eisenresorption im Dünndarm hemmt (3). Dass die Eisen- etwas 4x so viel Eisen resorbiert, wie bei Einnahme der glei-
resorption regulierbar ist, macht durchaus Sinn, denn ein chen Dosis zum Frühstück. Patienten müssten demnach 4
Zuviel an Eisen ist deutlich gefährlicher als ein Zuwenig: Eisentabletten zum Frühstück einnehmen, um die Wirkung
Eisenüberschuss führt zu einer Speicherung von Eisen in der einer nüchtern eingenommenen Tablette zu erzielen. Be -
Leber und in anderen Organen, wie dem Herzmuskel. Die rücksichtigen sollte man auch, dass PPI oder Antazida die
Hämochromatose führt zu eisenbedingter Fibrose und Auflösung von Eisenpräparaten und ihre Resorption vermin-
Zirrhose der Leber und zum hepatozellulären Karzinom, so - dern und daher wenn möglich vermieden werden sollten.
wie zu Herzrhythmusstörungen. Zahlreiche Arzneimittel wie Tetrazykline oder Zink hemmen
ebenfalls die Eisenaufnahme.
Indikation zur Verordnung von Eisen
bei Eisenmangelanämie Nebenwirkungen oraler Eisensubstitution
Eisenpräparate sind als apothekenpflichtige, nicht verschrei- Die orale Gabe von Eisen kann zu abdominellen Beschwerden
bungspflichtige Arzneimittel nur bei gesicherter Eisen man- führen, insbesondere epigastrischen Schmerzen, Übelkeit
gelanämie verordnungsfähig. Verordnungsfähig sind hierbei und Obstipation. Die Nebenwirkungen korrelieren mit der
nur Eisen-(II)-Verbindungen als Monopräparate. Gemäß Arz- Menge des zugeführten Eisens und sind weitgehend unab-
neimittel-Richtlinie Anl. I sind sie verordnungsfähig und wirt- hängig von der Form des Eisens und der Galenik. Einnahme
22 schaftlich, wenn die Diagnose der Eisenmangelanämie durch nur jeden zweiten Tag und Reduktion der Einzeldosis verbes-
Hb-Werte < 12 g/dl bei Frauen und < 13 g/dl bei Männern in sern die Verträglichkeit. Da der Anteil resorbierten Eisens mit
Saarländisches Ärzteblatt Ausgabe 5/2024