Page 5 - Saarländisches Ärzteblatt, November-Ausgabe 2025
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Die Gründung der Ärztekammer des Saarlandes
im Oktober 1945 A MMER
Reorganisation der Verwaltung des Zahlung aller Dienstbezüge. Diese vorläufige Suspendierung
Gesundheitswesens wurde dann am 07.03.1947 durch einstimmigen Beschluss
des Konsultativausschusses beim „Regierungspräsidium
Die Reorganisation der Verwaltung des Gesundheitswesens Saar“ in eine sofortige Entlassung umgewandelt und die Ein-
im Saarland erfolgte im Mai 1945, nachdem Dr. Hans Neu reu stellung aller Bezüge angeordnet. Obé war nicht der einzige
ter von den amerikanischen Militärbehörden zum Präsiden- Beamte, der aus diesen Gründen aus dem „Regie rungs-
ten des „Regierungspräsidiums Saar“ ernannt wurde. Neu- präsidium Saar“ wieder entlassen werden musste. Dazu
reu ter setzte innerhalb seiner Behörde 12 Abteilungsleiter gehörte auch Regierungsdirektor Dr. Karl Imig als Direktor
ein, wobei für das Gesundheitswesen der Abteilungsleiter der „Abteilung Justiz“, der zusammen mit Obé dafür verant-
der „Abteilung Soziale Angelegenheiten und Gesund heits- wortlich war, dass für die Regelung der Ausübung der
wesen“ (später „Abteilung Arbeit“) zuständig war. Die „Ab - Heilkunde kein Gesetz sondern eine allgemeine Rahmen ver
teilung Arbeit“ übernahm alle Verwaltungsaufgaben inner- ordnung als Richtlinie der Ärztekammer erlassen wurde.
halb des staatlichen Gesundheits- und Sozialwesens im Saar- Nach der Suspendierung von Obé im Rahmen der Ent nazi
land, wofür vor 1945 die Abteilung 3 „Gesundheitswesen und fizierung übernahm die Funktion des Leiters der „Abteilung
Volkspflege“ beim „Reichsstatthalter der Westmark“ zustän- Arbeit“ am 01.11.1945 der Sozialdemokrat Richard Kirn, der
dig war. dieses Ressort auch ab dem 08.10.1946 innerhalb der Ver-
Zum Abteilungsleiter dieser Abteilung bestimmte Neureuter waltungskommission als Direktor der Arbeit und ab dem
am 01.06.1945 Regierungsdirektor Dr. Max Obé, der vor und 20.12.1947 als Minister für „Arbeit und Wohlfahrt“ mit kurzen
während des Zweiten Weltkrieges Leiter der Abteilung 3 und Unterbrechungen in den Regierungen der „HoffmannÄra“
damit der ranghöchste Medizinalbeamte des NS-Staates im behielt und mitgestaltete. Er war dabei innerhalb des Minis-
„Gau Westmark“ war. teriums für „Arbeit und Wohlfahrt“ für die Bereiche Arbeit,
Mit der Leitung der „Abteilung Gesundheitswesen“ innerhalb Sozialversicherung, Wohlfahrtswesen, Gesundheitswesen
der „Abteilung Arbeit“ des „Regierungspräsidiums Saar“ wur- und Landeswohnungsamt verantwortlich. Er prägte die Ge -
de ab 01.06.1945 Obermedizinalrat Dr. Franz Altmeyer beauf- sundheits- und Sozialpolitik des Saarlandes am nachhaltigs-
tragt. Altmeyer übte diese Funktion bis zu seiner Pensionie ten, indem er eine „Einheitskrankenversicherung“ im Saar-
rung am 31.10.1953 aus, wobei er während dieser Zeit zusätz- land schaffte und innerhalb des Gesundheits und Sozial
lich noch zum Leiter und Amtsarzt des Gesundheitsamtes wesens durch gesetzgeberische Maßnahmen in den Aufbau
von SaarbrückenStadt ernannt wurde. Während seiner einer demokratischen standespolitischen Vertretung der
Amts zeit war er besonders für die personelle Besetzung der Ärzte und Zahnärzte eingriff. Aus machtpolitischen Gründen
Gesundheitsämter des Saarlandes verantwortlich, die fast wurden 1950 von ihm – auch mit Unterstützung der französi-
ausschließlich mit ehemaligen Amtsärzten der NS-Diktatur schen Militärregierung und mit Hilfe dieser Gesetze – wieder
erfolgte trotz ihrer verantwortlichen Mitarbeit im Rahmen ehemalige Machtstrukturen und auch deren Funktionäre
der Zwangssterilisationen von „Erbkranken“. und Funktionsträger innerhalb der Standesorganisationen
Auf Vorschlag Altmeyers wurde Obé am 25.10.1945 von der Ärzte und Zahnärzte im Saarland installiert. Damit wurde
Neureuter auch zum Vorsitzenden des Landesversiche rungs- die von den Ärzten und Zahnärzten auch im Interesse der
amtes des Saarlandes ernannt. Regierungsdirektor Obé wur Patienten geforderte freie Niederlassung und freie Arztwahl
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de aber sehr schnell wieder wegen seiner NS-Ver gangenheit verhindert und eine Europäisierung und Demokratisierung
auf Druck der amerikanischen Militärbehörden aus seinen der Standespolitik diesem Berufsstand aus eigenem Macht-
Funktionen entlassen und am 01.02.1946 auf Beschluss des interesse im Saarland nicht zugestanden.
Säuberungsausschusses der französischen Militärregierung
vorläufig vom Dienst suspendiert unter Einstellung der Die Vorbereitung der Gründung der
„Ärztekammer Saar“
1 Das Landesversicherungsamt des Saarlandes wurde am 28.07.1945 durch
Verordnung des Regierungspräsidenten errichtet und war im Bereich des Vom Regierungspräsidenten des „Regierungspräsidiums Saar“
Saarlandes oberste Spruch-, Beschluss- und Aufsichtsbehörde auf dem wurde im Juni 1945 auch die Berufsausübung der niederge-
Gebiet der Sozialversicherung, wobei es die Aufgaben des früheren Reichs-
versicherungsamtes übernahm und die Aufsicht über die ihm unterstellten lassenen Ärzte und Heilberufe im Saarland neu geregelt und
Versicherungsträger des Saarlandes hatte. Nach der Vereinheitlichung der Dr. Albert v. Brochowski zum kommissarischen Vorsitzenden
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Krankenversicherungsträger im Juni 1947 hatte das Landesversicherungsamt
des Saarlandes die Aufsicht über die Geschäftsführung der LVA, der der „Bezirksvereinigung Saar“ der ehemaligen „Ärztekammer
Saarknappschaft, der Bergbau-Berufsgenossenschaft und der Eisenbahner- Westmark“, die Teil der 1935 als Körperschaft des öffentli-
versicherungsanstalt einschließlich ihrer Nebenbetriebe, zu denen 12 große chen Rechts gegründeten Reichsärztekammer war, bestimmt. 5
Krankenhäuser gehörten. In der Krankenversicherung wurden 1950 rund
85 % der saarländischen Bevölkerung betreut. Dr. v. Brochowski wurde im Juni 1945 vom Oberregie rungs-
Saarländisches Ärzteblatt Ausgabe 11/2025

